Dornbirn, 17. Januar 2008
Die Debatte über den Bau von
islamischen Gebetshäusern mit Minarett berührt zentrale Grundfragen der
Gestaltung von Gesellschaft und Politik eines Landes mit Zuwanderung
und religiöser wie kultureller Verschiedenheit.
Es geht in
der Frage des Minarettbaus um rechtlich legale Ansprüche einer neuen
religiösen Gruppe, die von Teilen der sozial länger anwesenden
Bevölkerung als illegitime Forderungen angesehen werden. Durch das
Anliegen von Muslimen, ein Gebetshaus mit Minarett zu bauen, und der
Abwehr, die das Ansinnen auslöst, wird ein für Integrationsprozesse
nicht ungewöhnlicher latenter Konflikt öffentlich. Damit wird er jedoch
auch bearbeitbar. Die Anerkennung neuer Gruppen unserer Gesellschaft
vollzieht sich auch über solche Konflikte. Die Bewusstseinsbildung,
dass wir eine Gesellschaft mit Einwanderung und damit verbunden einer
neuen religiösen Vielfalt geworden sind und welche Basis wir für die
konstruktive Gestaltung einer solchen Gesellschaft haben und brauchen,
vollzieht sich nicht zuletzt über die mit solchen Konflikten
verbundenen Debatten.
Es braucht bestimmte grundlegenden Voraussetzungen, damit eine solche Debatte konstruktiv geführt werden kann:
–
Muslime müssen sich bei ihren Anliegen auf die in unserer Verfassung
verankerten Grundrechte berufen können wie alle anderen Individuen in
unserer Gesellschaft auch. Ihnen von politischer Seite als
Integrationsstrategie anzuraten, von vorneherein auf für sie wichtige
Anliegen zu verzichten, um Debatten und Gegenwehr zu verhindern, ist
nicht praktikabel und behindert darüber hinaus notwendige
Bewusstseinsbildungsprozesse.
– Für muslimische
Organisationen als Vertreter der neuen Gruppe, die um ihre
gesellschaftliche Anerkennung kämpft, ist wichtig zu erkennen, dass die
Mehrheitsbevölkerung für die Anliegen einer Minderheit gewonnen werden
muss und sie viel dazu beitragen können. Das ist auch dann wichtig,
wenn die Rechtslage weitestgehend klar ist und ihrem Anliegen Recht
verschafft, denn die Menschen leben ihren Alltag miteinander und die
Form der Austragung von Konflikten beeinflusst diesen Alltag und seine
Lebensqualität.
Das Minarett steht im Schutzbereich der in
unserer Verfassung garantierten Religionsfreiheit. In der konkreten
baulichen Ausführung (Höhe etc.) unterliegt es den jeweiligen
baurechtlichen Regelungen. Diese Position wird in der gängigen
juristischen Fachliteratur zu dieser Frage vertreten, und auch die
juristischen Positionen in der Vorarlberger Debatte der letzten Tage
argumentieren auf diese Weise. Nicht alles, was durch unsere Verfassung
geschützt wird, muss von allen Teilen der Bevölkerung und Gesellschaft
gewollt und anerkannt werden. Gerade Grundrechte jedoch, und dazu zählt
auch die Religionsfreiheit, formulieren einen Grundbestand an Rechten,
der jedem einzelnen Individuum zusteht. Mit gutem Recht fordern die
europäischen Länder von Menschen, die in unser Land einwandern, die
Akzeptanz dieser Grund- und Menschenrechte, und Muslime und Musliminnen
müssen sich in den Integrationsdebatten selbstverständlich der
kritischen Frage stellen, wie es denn die unterschiedlichen Lehren des
Islam mit der Religionsfreiheit halten. Unterhöhlt es dann nicht unser
Pochen auf die Grundrechte als Basis der Gestaltung unserer
Gesellschaften, wenn wir dann, wenn eine religiöse Minderheit ein
Anliegen hat, das in den Schutz dieser Religionsfreiheit fällt,
spezifische Regelungen zu ihrer Beschränkung für diese Gruppe erlassen
wollen?
Das in den letzten Tagen von Landespolitikern der FPÖ
und der ÖVP diskutierte und lancierte Vorhaben einer Adaptierung des
Raumplanungsgesetzes in diese Richtung berührt einen weiteren in
unserer Verfassung verankerten Grundsatz: das Verbot von
Diskriminierung aus religiösen Gründen. Die neuen gesetzlichen
Regelungen müssten demzufolge für alle anerkannten
Religionsgemeinschaften im Land gelten.
Wir haben in diesem
Land viele Debatten mit einander zu führen, Probleme zu lösen und
Herausforderungen zu gestalten: im Bildungsbereich, in Fragen der
Gleichstellung von Mann und Frau u.v.m. Illegalen und illegitimen
politischen Ansprüchen müssen wir in unserer Gesellschaft klar
entgegentreten, von welcher Seite auch immer sie verfolgt werden. Dafür
haben wir unsere Institutionen, wie den Verfassungsschutz, die Polizei
und dort, wo es noch im Rahmen des Legalen, aber schon fragwürdig ist,
die kritische Transparenz herstellende öffentliche Debatte. Muslime und
der Islam sind davon nicht ausgenommen. Sie brauchen aber keine
Sonderbehandlung im Sinne spezieller Repressivität.
Wenn wir
es in Vorarlberg schaffen, die mit der Minarettfrage verbundenen
Prozesse und Debatten so zu führen, dass diejenigen, die von einer
tragfähigen Lösung für beide Seiten profitieren, mehr Menschen
überzeugen als diejenigen, die vom Konflikt profitieren, dann sind wir
im Integrationsprozess dieses Landes einen wichtigen Schritt weiter
gekommen.
Rückfragen:
Dr. Eva Grabherr (Geschäftsführerin)
eva.grabherr@okay-line.at
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